Donau Logbuch XV
So war das aber nicht geplant…
04.08.2021
Datum
Linz bis Ardagger
Abschnitt
7:38 h
Reisezeit
5:19 h
Motorstunden
55,6 km - 2 Schleusen
Distanz
Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt.
Der Plan
Mittwoch 8:21 Uhr
Wetter: Bewölkt und grau mit ab und zu mal 10 Minuten ohne Regenschauer.
Personen an Bord: Drei, mein Neffe Jonas, meine Schwester Marline und ich.
Der Plan: Das schlechte Wetter nutzen um Strecke zu machen.
Das Ziel: Grein – Laut Revierführer ein beschauliches Städtchen mit tollen Restaurants und der besten Eisdiele überhaupt. Na dann: „Leinen los!“
Wo sind wir?
Diesen ersten Zwischenstopp haben wir schon lange geplant. Hier ist die Strömung schwach und so kann man sicher und entspannt baden. Was wir nicht geplant hatten war das Wetter und so viel dieser Halt etwas kürzer aus :
Wer weiß, wo wir sind?
Es handelt sich um die Traunmündung bei Kilometer 2125,6 kurz nach Linz.
Nach unserem kurzen Badestopp kommen wir gut voran und passieren die Schleuse Abwinden-Asten mit einer Hubhöhe von 10,3m. Jetzt sind es noch 24 Kilometer bis zur zweiten und letzten Schleuse des Tages.
Ein Katzensprung.
„Schleuse Wallsee, hier Sportboot Feschberboggs – Bitte kommen“
„Schleuse Wallsee hört“
“Schönen guten Tag,
wir befinden uns im Oberwasser und würden gerne bei nächster Gelegenheit zu Tal schleusen.
Voraussichtliche Ankunft in 20 Minuten“
„Verstanden, wird etwas dauern.“
Schleuse Wallsee
Donaukilometer 2095 - 12,2m Hub
Ankunft 14:32 Uhr
Geduld
15:31 Uhr
Nach einer Stunde frage ich nochmal per Funk nach. Nein, man hat uns nicht vergessen und ja, es dauert noch. Der Blick aufs AIS (Schiffsidentifikationssystem) zeigt, keine Berufsschifffahrt zu sehen.
Worauf wir warten? – Keine Ahnung, auch in der letzten Stunde war kein Schiff in Sicht.
16:04 Uhr
Wieder ein Blick aufs AIS, wieder kein Schiff in Sicht. Freundliche Nachfrage bei der Schleuse: „Dauert noch.“
16:32 Uhr
Anruf beim Hafen Grein, leider ist kein Platz für uns verfügbar. Also nichts mit dem besten Eis der Welt.
16:46
Langsam werde ich ungeduldig, seit über zwei Sunden stehen wir nun hier rum. Spaß haben wir, Essen auch aber trotzdem wollen wir langsam weiter.
Erneuter Blick aufs AIS: Nichts
Erneuter Funkkontakt: „Gleich“
17:02
Nach genau 2,5 Stunden machen wir in der Schleuse fest…
Seit Ankunft haben wir keine Berufsschifffahrt gesehen und auch jetzt ist keine in Sicht. Wir schleusen alleine in der Kammer. Warum das nicht vor 2,5 Stunden gegangen wäre weiß nur der Schleusenwärter selbst.
Geschafft, endlich! Aber wohin nun?
Der Tag ist fast vorbei und es regnet weiterhin ohne Unterlass. Eigentlich wollen wir nur noch Essen, ein paar Bierchen und eine heiße Dusche.
Ein Blick in den Revierführer verspricht folgendes:
Freizeithafen Ardagger in der Winkler Au
Wasser und Strom sind verfügbar, außerdem Duschen und WCs, Slipanlage, Kinderspielplatz, Campingplatz und Bootstankstelle im Hafen. Eine Spezialität ist der Steckerlfisch, der dort frisch gegrillt wird.
Perfekt, nichts wie hin!
Weitere 50 Minuten sind wir unterwegs, keine lange Fahrt mehr aber langsam würden wir schon gerne ankommen. Der Motor tackert, der Regen klopft an die Fenster und ab und zu meldet sich auch der Scheibenwischer zu Wort.
Ich möchte ja gar nicht bezweifeln, dass der Freizeithafen Ardagger an anderen Tagen ein aktaktiver Stopp ist aber als wir gegen 17:58 nach Steuerbord drehen und im Nebel die versandete Einfahrt passierten wirkt dieser wie aus einem gruseligen Piratenfilm.
Keine Menschenseele in Sicht. Zwischen den Nebelschwaden sind schemenhaft die Umrisse der Stege zu erkennen, welche durch Wind und Welle ächzen.
Auch an Land waren die Stege verlassen, die Wirtschaft geschlossen und keine weitern Häuser in Sicht.
Der Campingplatz glich einer Geisterstadt und am Spielplatz knarzten die Schaukeln im Wind.
So blieb uns nichts anderes übrig als selbst zu kochen und den Abend an Bord zu verbringen, was nach all diesen Stunden kein einladender Gedanke war.
WOchen später
Rückblick
Ich schreibe diese Zeilen am 30. Mai 2022. Wochen, nein Monate nachdem wir den Abend in Ardagger verbracht haben.
Noch immer verstehe ich nicht, was diesen Tag so besonders machte, aber trotzdem weis ich, dass ich ihn nie vergessen werde.
Man träumt davon lange Strecken auf dem Boot zurückzulegen und tagelang unterwegs zu sein aber dann nach einem einzigen tristen Tag an Bord voller motoren und warten möchte man einfach nur von Bord und Menschen sehen. Im späteren Verlauf meiner Reise war ich öfter für Tage nicht an Land und zudem alleine aber es hat mich nie mehr so sehr gestört wie an diesem Tag.
In Grein hatte man keinen Platz für uns, wir mussten 2,5 Stunden an der Schleuse warten, das Wetter war bescheiden und Abends hat alles zu.
Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, dass ich am 5. Oktober 2021 um 01:00 Uhr Nachts bis zu den Knien im Schlamm steckend und vor Schweiß triefend versuchen würde mein Boot an Land zu ziehen um zu verhindern, dass es die Donau hinabgezogen wird.
Zurück an Bord werde ich mich an den Abend in Ardagger zurückerinnern und zu mir selbst sagen: „Und ich dachte wirklich, an DIESEM TAG wäre alles schief gelaufen….“
Es war einfach nur nicht „wie geplant“ – das ist es selten.
Je üppiger die Pläne blühen, um so verzwickter wird die Tat.
Erich Kästner